| Die Geburt der Moderne
Entstanden
1982/83 als Flurbild der Villa Glücklich (Privatbesitz Enja Riegel, Wiesbaden). Gemälde auf Holz, 570 x 245 cm.
Im selben Flur gegenüber befinden sich Sebastian unter den Frauen
sowie Giannozzo und die Krellhinzen, ferner zwei Ohrenbäume. Rechts
im Bild findet sich die Inschrift LA NASCITA DELL UCCELLO MAGICO.
- Das Bild markiert in Mersmanns Werk einen Höhepunkt: dank der
Originalität und Gedrängtheit der Komposition, der intensiven
und ausgewogenen Farbigkeit, der durchgearbeiteten Details, der
Vielfalt
symbolischer und ikonographischer Bezüge und der Komplexität
seiner Aussage zählt es zu den bedeutendsten Werken der Zeit.
→ Größere Abbildung
| Aufnahme © Doro Breger 2008 | | Mersmann
hat sich über Konzeption
und Motivik des Bildes ausführlich geäußert. So schreibt er in Die Bilder
(einem nicht gehaltenen Vortrag aus der Zeit der Fertigstellung): "Auf
den ursprünglich weißen Grundierungen bewegen sich jetzt
nicht nur dem Menschen verwandte Gestalten, sondern auch, in gleichem
Anschein, den Steinen verwandte Steine, dem Wasser verwandte Wasser,
den Bäumen verwandte Bäume, den Vögeln verwandte
Vögel sowie Zwischenformen in zunächst schwer beschreibbaren
Verbindungen, die wie eine Freude des Pinsels, wie Ausbrüche
wirken, die sich der Pinsel entsprechend der geschmeidigen Farbe
erlaubt. Dieser Mörtel zwischen den Fugen der eigentlich
bedeutenderen Gefangennahmen höherer Figuren bildet die
rhythmische Lust eines Taktes und einer magischen Grundstimmung, die
zur künstlerischen Verbindung jenseits logischer Konstruktionen
werden. [...] Die blauen Flecken, die dort aus den Bäumen
fallen, sind Bannungen, ein Kunstgriff des Malers, um das Bild mahnend
ins Innere von Ereignissen zu senden, die dem Betrachter aus der
Jugend, aus Stunden der Absonderung bekannt sind. Der Maler hat sie
herabgeworfen, nicht im Sinne einer den Bildern entsprechenden
Allegorie, sondern als einen blauen Befehl, als Aufruf an den
Betrachter, die Empfindungskraft zu schärfen. Es ist ein Schlag
mit dem Stock wie in einem Mönchskloster: 'Lass ab von den Ablenkungen.'
[...] Alle diese Bilder hier haben hinter sich eine solche treibende
historische Kraft. Durch sie kann der Betrachter so blicken, wie die
Bilder blicken. Sie sind es, die dem Zukünftigen oder dem
Unbekannten entgegenschauen. Haben wir die Bilder von uns aus, von
unserem Lebensbezirk aus erst einmal erreicht und betreten, so
müssen wir uns von ihnen forttragen lassen. Daher ist es wichtig,
sie nach der Beendigung, wenn der Maler beiseitetritt, auf ihren
tragenden Grund hin, der aus der Vergangenheit, aus Deutungen und
Anlagen der Vergangenheit kommt, zu untersuchen. Die Tradition ist, auf
diese Weise begriffen, kein konservatives Verharren, das sich den
Bewegungen in der Zeit entzieht, sondern ein belebtes Fundament, von
dem aus das Bild den Anstoß und den Schwung, in eine bestimmte
Richtung ins Neue hinaus zu blicken, erhält."
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