Werkverzeichnis Paul Mersmann
Hic est finis maris

Entstanden November/Dezember 1983. Wandbild über Eck im Schwimmbad einer Villa  im südpfälzischen Schaidt. Farbe auf Putz, 7,50 x 3 / 1,50 x 3 m.  Inschrift (linke Seite): HIC EST FINIS MARIS. Entstanden nach den Wiesbadener Bildern der Villa Glücklich und des Pariser Hoftheaters, beschließt es den Zyklus der großen Wandgemälde dieses Jahres. Alchimistische Motive (die Verbindung des Sonnenjünglings mit dem bleichen, 'lunarischen'  Element) verweisen auf die Elemente als beherrschendes Thema.

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Aufnahme © Walter Rüth 2007
Zur Entstehung

Paul Mersmann, Tagebuch (Ausz.)

Montag, 28. Nov. 83, 11.00 Uhr
Bei der lauen Frühlingsluft und dem Regen unangenehme Atmosphäre in dem Neubau (ungeheizt). Dafür ein sehr gutes und weitläufiges Gestell über dem zukünftigen Schwimmbecken, ebenso gutes Licht. Teile die Wand auf und zeichne die wichtigsten Umrisse mit Bleistift. 3 Std. gezeichnet.

Dienstag, 29. Nov. 83
In der Nacht das Fenster geöffnet. Ziemlich unruhig geschlafen. Aber der Einfluss der frischen Luft wirkte plötzlich wie ein Getränk. Zuvor einige Sätze von Proust über Venedig. Während er mit seiner Mutter in der Gondel dahintreibt, beobachtet er die Damen, »die fast alle Ausländerinnen sind«, in den anderen Booten. Herrlich die kaum zu übertreffende Stelle, wo das funkenspühende Wasser in einer einzigen Welle zwischen einer Marmorwand und dem Boot einer Dame, die nach dem Reiseführer greift, sich bäumt und das Boot tänzeln lässt. Man sieht mit einem Mal das Wasser des ganzen Kanals vor sich, ja man hört es und wird von Sehnsucht nach Venedig ergriffen [...].

Mittwoch, 30. Nov. 83
Recht gut geschlafen, wenn auch verschiedene seltsame Träume von Menschen in halb bekannten, halb unbekannten Städten. – Abends Lautréament gelesen. Der Versuch eines jungen Menschen, so ehrlich zu schreiben wie er kann.
[…]
Vorderhand brennt jetzt ein Gasofen.
Die Marmorfigur auf der kleinen Insel und den tanzenden Knaben gemalt. Male dies ohne Brille. […] Der künstlerischen Phantasie tut’s wohl, mehr mit eigenen Augen an das Bild zu treten. 8 Std. gemalt.

Donnerstag, 8. Dez. 1983
Des Nachts ein seltsam zauberischer Blick aus dem Fenster des Gasthofs, mit der Hecke und den Pappeln zur Linken wirkt die verwilderte, aber ursprünglich durchaus konzipierte Gartenanlage wie der Garten Amidas. Selbst die ziemlich hoch befestigte Lampe einer dahinter entlangführenden stillen Landstraße wirkt als künstlicher Mond an der Zauberwelt dieses Bildes mit. Es will mir nicht zufallen, wie ich die Mauer des Meeres beenden soll – innerlich Chirico angerufen. Male die Säule mit dem weißen Tuch.
8 Std. gemalt.

Freitag, 9. Dez. 1983
Es ist die geheimnisvolle, blasse Statue, die Voransicht der Seele, die auch nicht in unsrer Gewalt ist. Vor und in solchen Perspektiven der Betrachtung ist Gott unmöglich tot (wie Heidegger dies, auch Nietzsche, nur viel überzeugender, ausführt). Ohne Gott wäre auch der Mensch nicht. Es müßte schlagartig wie bei einer stehenbleibenden Uhr die an Gott gebundene Mechanik des Geist-Flusses, der uns antreibt und schauen lässt, erstarren und unsichtbar werden.
HIC EST FINIS MARIS

Dienstag, 13. Dez. 1983
Den ganzen Tag an Kleinigkeiten gemalt. Die Hände der Marmorstatue, Füße und Hände des springenden Sonnenkinds u.s.w.
8 1/2 Std. gemalt

Freitag, 16. Dez. 1983
Am Morgen über die lateinische Inschrift zum Ende des Meeres nachgedacht: »HIC EST FINIS MARIS«. […] Sie soll deutbar, aber nicht einfach lesbar sein. Es ist zugleich ein »HIC FINIS TERRAE« damit verbunden. –

Dienstag, 20. Dez. 1983
Mit Himbeer nach Schaidt. […] Himbeer mit dem Bild zufrieden. Sie malt einige wenige, schöne Punkte.

Donnerstag, 22. Dez. 1983
Morgens an den Wolken gearbeitet. Um 17 Uhr das Bild, bis auf den untersten Rand, der an den Streifen der Bodenkacheln stoßen wird, beendet. […]
Insgesamt an der Wand gearbeitet: 98 Stunden. 

Aus: Arbeitsbuch 1983

Schaidt,  7. Dez. 83

Die Landschaft gebrochen
das Meer geteilt.
Dahinter Steine die nicht gehorchen.
So zerfallen zunächst
Die älteren Bilder
überall ist die Welt noch tot.
Es liegt ein großer
mit Lappen verhüllter Dämon
Fünfhundertgliedrig
nicht nah und nicht fern
in seiner zu ihm gehörenden
grimmigen, furchtbaren Entfernung
dahinter und lässt
einmal das Wasser, einmal die Luft
hervorrücken als seine Wände und Truppen
Zum Trost sind auch leere Stellen
überall auf der Wand.
Sie sind bald mit Hoffnungen (aus)gefüllt
im übrigen geht der Geist seiner Wege
und lässt zu, daß der Herr der Lage
das Gemüt belästigt.
Bald nach bald gleich ist
das eigene Wesen
den fallenden und sich aufrichtenden ärmlichen
Zeichen die der Hand
entsteigen
Ach es gibt keinen Sieg
nur manchmal triumphiert der Zufall
er kommt vom Großen
und Hohem
und erfreut alles zusammen
selbst der Dämon geschmeichelt
räuspert sich und gibt eine Weile Ruhe.


Abbildungen in Grabbeau. Museum im Netz

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