 | Zirkus
Entstanden
1986. Wandbild im Pariser Hoftheater, Wiesbaden. Farbe auf Putz, 7
x 5 m.
Das Bild zeigt Bühnenelemente in freier Landschaft, wobei die
Grenzen zwischen Theater und Zirkus absichtsvoll verschwimmen. Eine
Anregung könnte das "Naturtheater von Oklahoma" in Franz Kafkas Amerika-Roman gegeben haben.
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| Aufnahme © Doro Breger 2008 | | "Da
es sich entsprechend dem Ort und seiner künftigen Bestimmung um
eine Zirkusscene handeln sollte, wie ich vorgeschlagen hatte, gab es
von Seiten der Auftraggeber keine größeren Einwände.
Immerhin mussten drei Entwürfe gemacht werden. Sie zogen sich
über den ganzen September 1986 hin, bis ich am 16. Oktober mit der
Arbeit beginnen konnte. Nun war plötzlich Eile geboten, da man am
1. November das Theater eröffnen wollte..." "Die Grundstimmung
der Ideenwelt dieses von mir beabsichtigten Naturtheaters in freier
Landschaft war eigentlich insofern melancholisch, als ich von Anfang an
eine metallmechanische Zwischenwelt aus Kuben und einer
Landschaftsmaschine entworfen hatte, die eine weitläufige, die
Maße einer Bühne sprengende theatralische Kunstwelt
darstellen sollte und sich, erst bei der Arbeit, mit zwei
Feuersäulen verbinden ließ, die einen Anspruch der Unterwelt
geltend machen. Es ging um eine Kunstwelt, keine bestimmte
Bühnenscene sondern die Eröffnung einer Bühnenwelt aus
dem Geist einer landschaftsbedeckenden Kulissen- und
Schnürbodenatmosphäre. Alles wirkt wie herabgefallen oder
chaotisch hingestellt. Es wurden erfundene Versatzstücke auf einen
Teil der übrigen Welt gerückt. Auch ein indischer Gott
schwingt sich vierbeinig in heiliger blaugrauer Farbe (Elephantenfarbe
) mehr zur Übung als ernsthaft ins Zentrum und begegnet dort einem
ebenfalls übenden, mit Möbelstücken aus der Kulisse
verkleideten Tanzbären auf seinem Zirkusfahrrad. Alles übt
oder entwickelt sich, denn noch hat das eigentliche Stück nicht
begonnen. Der Betrachter blickt in die Vorzustände einer
landschaftlichen Bühne, keinesfalls in ein Theater. Unten
flüchten zwei riesige auf- und abklappbare Ententiere aus Blech,
wie man sie in Schießbuden finden kann, von den gefroren
anmutenden Eisenplatten eines Leporellos, der die scharfkantige
Perspektive der Gegend bildet. Ein rudernder Gott der Unterwelt
verlässt seine Höhle und strebt einem leer anmutenden
ornamental-abstrakten Randgebiet des Bildes zu. Die hellen Kugeln
sind theatermäßige Speisephantome, Mondstoff und
Fruchtgebilde aus Eiern, Mehl und Mondlicht. Ich dachte auch an
herabgesunkene Fruchtwolken. Nur oben die Berglandschaft in der
Ferne blieb unberührt, der Umriss des 'Kunstbezirks' dieses Bildes
gelangt dort nicht mehr hinauf. Der theatralische Teil des Bildes,
gewissermaßen sein phantastischer Geistesinhalt, findet hier
seine Grenzen, die alte Welt der Landschaftsmalerei bleibt
unberührt. Dieser Hintergrund 'vor dem Himmel' diente mir auch
hier als Zone des ehrfurchtsvoll Traditionellen! Herr Zeng Mi
hätte für dergleichen gewiss ein Ohr. Der ganze Gedanke
erinnert an ähnliche Abgrenzungen der phänomenalen
Bildereignisse meiner Themen vor einer alten Kultur 'in der Höhe'. Bei
einzelnen 'Rätselbildern' im Altenstift, die ungefähr ein
Jahr zuvor, am 2. Oktober 1985 beendet wurden, findet sich ein
ähnlicher Geist des Hintergrundes, wenn er sich nicht
überhaupt schon immer bei mir gefunden hat. Er hat mir in einer
Zeit der eindimensionalen Bilder ohne Hintergrund immer die 'Tiefe'
aufzurufen gestattet." Paul Mersmann, Erinnerungen an die Stimmungen
und Absichten bei der Malerei am Wandbild im Pariser Hoftheater in
Wiesbaden (Brief v. 13. April 2008, Ausz.)
Abbildungen in Grabbeau. Museum im Netz |
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