Paul Mersmann [*1929]
Paul Mersmann: Werkverzeichnis
P.M.
Personen

Giorgio de Chirico
Herbert Häfner
Gustav René Hocke
Karl Hofer
Peter Schermuly

Peter Schermuly
1927-2007


»Eine enge und außerordentlich schöpferische Freundschaft verband mich nach meiner Rückkehr aus Italien mit dem Maler Peter Schermuly. Ich landete damals in Wiesbaden. Eine etwas vorsichtig, aber ganz treffend gezeichnete Porträtskizze von ihm findet sich unter dem Datum 61 in einem meiner Hefte (Nr.1), die ich immer mit mir herumtrug. Er malte ausschließlich abstrakte Bilder und war mit dem wesentlich älteren Maler Otto Ritschl befreundet, stand aber nach meiner Meinung keineswegs unter dessen Einfluß, sondern malte in dieser Zeit wohl zum Ärger dieses kaltfarbigen Meisters großer Flächen mit feinstem Pinsel sehr flüssig und fadenartig ineinander verstrickte Guachen. Sie erinnerten mich ein wenig an Speiseeis oder zerfließende Edelsteine. Ich fand sie sehr eindrucksvoll und mühsam genug erwirkt. Er legte dabei eine Art der äußersten Kritik an den Tag, die ich kaum verstand, zumal es oft Tage dauerte, bis er mit einem der kleinen Blätter auf festem französischem Büttenpapier zufrieden war. Wesentliche Steigerungen konnte ich trotz empfindsamer Erklärungen nur selten erkennen. Es war wie ein höchst persönliches Spiel. Jedenfalls waren diese feinen Meisterwerke mit den häufig nur angestrichenen Flächen anderer Zeitgenossen kaum zu vergleichen. Über deren Werke pflegte ich ihm gegenüber mit Vehemenz zu spotten. Ich kam aus Italien, die Renaissance und der Surrealismus beeinflussten mich mit Zaubermacht. Seine literarischen Kenntnisse, die stark auf Frankreich gerichtet waren, erweiterten damals mein Blickfeld, besonders die Werke der französischen Surrealisten, die ich kaum kannte, so wenig wie deren Vorläufer Lautréamont, aus dem er mir mit Enthusiasmus aus einer Französischen Ausgabe vorlas. Sein: »...vieil océan!« klingt mir noch in den Ohren. Fast täglich besuchte ich ihn in seinem winzigen Atelier in der Waldstraße, um ihm die neuesten Teile meiner literarischen Arbeiten vorzulesen, die ihm sehr gefielen.
Eines Morgens öffnete mir die Mutter, wie immer, wenn sie mich sah, mit grämlicher Miene die Türe. Peter lag auf seinem Bett und rasch entwickelte sich ein lebhaftes Kunstgespräch. Ich lobte die Mächte der Phantasie und er gestand mir plötzlich ohne Umschweife, die abstrakte Kunst beginne ihn selber zu langweilen. Er sagte dann ungefähr : »Aber Paul, was soll ich da machen, ich habe das gegenständliche Arbeiten nie geübt. Ich wüsste gar nicht wie ich beginnen sollte.« Ich war sehr überrascht und ermunterte ihn voller Eifer doch wenigstens zu einem Versuch und es kam schließlich dahin, dass er mir eine neue Leinwand auf die Staffelei stellte und mich bat, mit Bleistift, Kohle oder Rötel, ich weiß das nicht mehr genau, irgend einen Entwurf zu machen. Malen könne er schließlich selber. Ich begann, wie gesagt von Italiens Künsten bewegt und unabhängig von den damals beschränkten deutschen Dogmen, einen weiblichen Akt mit einem Zepter in der Hand unter einem Baum vor einer Felswand zu zeichnen, irgend eine steinerne Schnecke konnte ich ebenfalls nicht unterlassen. Ob der Hundekopf von mir stammt, weiß ich nicht mehr.
Als wir uns nach einigen Tagen wieder sahen, war das Bild schon sehr weit entwickelt. Es wurde später zu seiner Ausstellung in der Villa Clementine in Wiesbaden im Winter 1978 als Plakat benutzt. Er schrieb mir eine Widmung hinein. Vor einiger Zeit hatte ich das Vergnügen zu lesen, der Maler Stephen McKenna habe Peter Schermuly – wesentlich später – bewogen, gegenständlich zu malen. [...]«
Paul Mersmann



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