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Peter Schermuly
1927-2007
»Eine
enge und außerordentlich schöpferische Freundschaft verband mich nach
meiner Rückkehr aus Italien mit dem Maler Peter Schermuly. Ich landete
damals in Wiesbaden. Eine etwas vorsichtig, aber ganz treffend
gezeichnete Porträtskizze von ihm findet sich unter dem Datum 61 in
einem meiner Hefte
(Nr.1), die ich immer mit mir herumtrug. Er malte
ausschließlich abstrakte Bilder und war mit dem wesentlich älteren
Maler Otto Ritschl befreundet, stand aber nach meiner Meinung
keineswegs unter dessen Einfluß, sondern malte in dieser Zeit wohl zum
Ärger dieses kaltfarbigen Meisters großer Flächen mit feinstem Pinsel
sehr flüssig und fadenartig ineinander verstrickte Guachen. Sie
erinnerten mich ein wenig an Speiseeis oder zerfließende Edelsteine.
Ich fand sie sehr eindrucksvoll und mühsam genug erwirkt. Er legte
dabei eine Art der äußersten Kritik an den Tag, die ich kaum verstand,
zumal es oft Tage dauerte, bis er mit einem der kleinen Blätter auf
festem französischem Büttenpapier zufrieden war. Wesentliche
Steigerungen konnte ich trotz empfindsamer Erklärungen nur selten
erkennen. Es war wie ein höchst persönliches Spiel. Jedenfalls waren
diese feinen Meisterwerke mit den häufig nur angestrichenen Flächen
anderer Zeitgenossen kaum zu vergleichen. Über deren Werke pflegte ich
ihm gegenüber mit Vehemenz zu spotten. Ich kam aus Italien, die
Renaissance und der Surrealismus beeinflussten mich mit Zaubermacht.
Seine literarischen Kenntnisse, die stark auf Frankreich gerichtet
waren, erweiterten damals mein Blickfeld, besonders die Werke der
französischen Surrealisten, die ich kaum kannte, so wenig wie deren
Vorläufer Lautréamont, aus dem er mir mit Enthusiasmus aus einer
Französischen Ausgabe vorlas. Sein: »...vieil océan!« klingt mir noch
in den Ohren. Fast täglich besuchte ich ihn in seinem winzigen Atelier
in der Waldstraße, um ihm die neuesten Teile meiner literarischen
Arbeiten vorzulesen, die ihm sehr gefielen.
Eines Morgens öffnete
mir die Mutter, wie immer, wenn sie mich sah, mit grämlicher Miene die
Türe. Peter lag auf seinem Bett und rasch entwickelte sich ein
lebhaftes Kunstgespräch. Ich lobte die Mächte der Phantasie und er
gestand mir plötzlich ohne Umschweife, die abstrakte Kunst beginne ihn
selber zu langweilen. Er sagte dann ungefähr : »Aber Paul, was soll
ich da machen, ich habe das gegenständliche Arbeiten nie geübt. Ich
wüsste gar nicht wie ich beginnen sollte.« Ich war sehr überrascht und
ermunterte ihn voller Eifer doch wenigstens zu einem Versuch und es kam
schließlich dahin, dass er mir eine neue Leinwand auf die Staffelei
stellte und mich bat, mit Bleistift, Kohle oder Rötel, ich weiß das
nicht mehr genau, irgend einen Entwurf zu machen. Malen könne er
schließlich selber. Ich begann, wie gesagt von Italiens Künsten bewegt
und unabhängig von den damals beschränkten deutschen Dogmen, einen
weiblichen Akt mit einem Zepter in der Hand unter einem Baum vor einer
Felswand zu zeichnen, irgend eine steinerne Schnecke konnte ich
ebenfalls nicht unterlassen. Ob der Hundekopf von mir stammt, weiß ich
nicht mehr.
Als wir uns nach einigen Tagen wieder sahen, war das
Bild schon sehr weit entwickelt. Es wurde später zu seiner Ausstellung
in der Villa Clementine in Wiesbaden im Winter 1978 als Plakat benutzt.
Er schrieb mir eine Widmung hinein. Vor einiger Zeit hatte ich das
Vergnügen zu lesen, der Maler Stephen McKenna habe Peter Schermuly –
wesentlich später – bewogen, gegenständlich zu malen. [...]«
Paul Mersmann |